Erinnerung an das NS-System: Katrin Himmlers Appell gegen den Aufstieg der „Neuen Rechten“

Meller Kreisblatt / A. Stratmeier [09.02.2025] „Austausch mit Heinrich Himmlers Großnichte“

Die Politologin Katrin Himmler ist der Einladung der BBS Melle gefolgt
und hielt am 7. Februar vor 150 SchülerInnen im Foyer sowie weiteren 250
an den Bildschirmen in den Klassenräumen einen Vortrag zum
Thema „Der (neue) Rechtsextremismus in Deutschland“. Foto: BBS Melle
Katrin Himmler ist die Großnichte von SS-Chef Heinrich Himmler. Mit Bezug auf ihre Familiengeschichte zeigt sie in Melle Parallelen zwischen den „Neuen Rechten“ und Strategien des NS-Regimes. Foto: A. Stratmeier

Mitläufer, Täter, Unwissende oder Opfer: Nur wenige Menschen wissen genau, was ihre Eltern oder Großeltern während des Dritten Reiches gemacht haben oder ertragen mussten. Die Politologin und Autorin Katrin Himmler hat sich damit intensiv auseinandergesetzt, denn sie ist die Großnichte von SS-Chef Heinrich Himmler. In Melle hat sie sich nun stark gegen Rechtsextremismus ausgesprochen.

Unter dem Titel „Demokratie in Gefahr?“ warnte die Politikwissenschaftlerin, Autorin und Großnichte des Nationalsozialisten Heinrich Himmler, Katrin Himmler, in der BBS Melle vor dem Erstarken rechtsextremer Gruppen und Parteien sowie deren Einfluss auf junge Menschen. Sie sprach aber auch über die Verstrickungen ihrer eigenen Familie in das NS-System sowie die Rolle ihres Großonkels als einem der Hauptverantwortlichen für den Holocaust.

Rechtsextreme Strömungen, die viel Zuspruch bekommen

Nach der Begrüßung und einleitenden Worten durch den Schulleiter Dr. Frank Baller
und seine Stellvertreterin Anja Stolte stellte die Rednerin ihren geplanten Ablauf vor –
beginnend mit der Frage: „Welche Ziele haben die neuen Rechten?“.
Hier erläuterte Himmler zum Beispiel die gefährliche AfD-Strategie
des „dog whistle“ sowie deren – besonders bei Jugendlichen – erfolgreiche TikTok-Präsenz. Foto: BBS Melle

Während des Vortrags zeigte sie vor allem auf, mit welchen Strategien Gruppierungen der „Neuen Rechten“ versuchen, auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen Einfluss zu gewinnen – besonders in sozialen Medien. „Die größte Gefahr für unsere Demokratie ist die Gefahr durch Rechtsextremismus“, sagte die 58-Jährige. Mittlerweile seien rechtsextreme Strömungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Als Beispiel für den Aufstieg des Rechtspopulismus nannte sie unter anderem die vergleichsweise hohen Zustimmungswerte für die AfD: „Und das, obwohl sie vom Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird“, sagt sie.

In ihrem Vortrag zeigte Katrin Himmler auf, welche Parallelen es zur Nazi-Ideologie gibt. Als Beispiel nannte sie das Werteverständnis rechter Gruppen, das im Gegensatz zum Grundgesetz steht, und das einen autoritären Staat nach völkischem Vorbild als Ziel habe.

Rückblick auf die NS-Zeit und Verbindungen zur Gegenwart

Katrin Himmler zeigte den Anwesenden zunächst ein Bild von Heinrich Himmler. Er gilt als Organisator des Holocaust und war an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligt. Foto: A. Stratmeier

Als Ziele intellektueller rechter Gruppen nannte sie die Beeinflussung gesellschaftlicher Debatten und die Durchsetzung antidemokratischer Positionen über Wahlen. „Und die Ziele der Neonazis sind Einschüchterung, Gewalt, Terroranschläge, Destabilisierung der Gesellschaft und Bürgerkrieg.“ Es gebe demnach keine deutliche Trennung zwischen beiden, stattdessen viele Querverbindungen.

Während ihres Vortrags über die Strategien der „Neuen Rechten“, veranschaulichte die Politikwissenschaftlerin die Anknüpfungspunkte des Nationalsozialismus. Demnach handelt es sich um ein umfangreiches Netzwerk aus Parteien, Gruppierungen, Denkfabriken, Straßenprotesten, Online-Plattformen und Videoportalen: „Neben den führenden Köpfen Götz Kubitschek, Martin Sellner, Björn Höcke und Maximilian Krah gibt es zudem gefährliche Identifikationsfiguren wie beispielsweise die junge Influencerin Marie-Thérèse Kaiser“, so Katrin Himmler.

Wandern in den Bergen oder das Ferienlager auf dem Lande: Rechtsextremismus habe demnach viele Gesichter auf Social Media, oftmals unter dem Deckmantel scheinbarer Harmlosigkeit: „Er dient immer der Reinheit der Kultur und beinhaltet immer die Legende vom großen Bevölkerungsaustausch“, sagt die 58-Jährige.

Himmlers eigene Familiengeschichte

Katrin Himmler sieht heute Parallelen zu den Anfängen der düsteren Geschichte Deutschlands. Foto: A. Stratmeier

Mit Blick auf ihre eigene Familiengeschichte und ihren Großonkel Heinrich Himmler zeigte Katrin Himmler Parallelen zwischen den „Neuen Rechten“ und Strategien des NS-Regimes vor der Machtergreifung. Das Schema sei damals wie heute das Gleiche: „Verunglimpfung der Demokratie, Verhöhnen anderer Redner und die Verächtlichmachung politischer Gegner“, fasste sie zusammen.

„Ich bin mit dem Namen und dem Bewusstsein aufgewachsen, mit diesem schrecklichen Verbrecher verwandt zu sein“, sagte sie. Als Kinder haben ihre Schwester und sie den Namen „loswerden und für immer auslöschen“ wollen: „Am Ende haben wir ihn beide behalten“, meinte sie mit Blick auf die eigene Auseinandersetzung mit dem unabänderbaren Erbe ihrer Familie.

Reaktionen der Schüler nach dem Vortrag

Wünschen sich, dass rechtsextremistische Strömungen in unserer Gesellschaft nicht weiter zunehmen: Die Schüler Lah, Daniel, Sara und Dinah (von links). Foto: A. Stratmeier

Die 35-jährige Schülerin Dinah hatte den Vortrag mit verschiedenen Gefühlen verfolgt: „Für mich war der Vortrag sehr spannend, informativ, aber auch emotional.“ Sie gab an, dass ihr die Strukturen und Vernetzungen rechter Gruppierungen auf den verschiedenen Kanälen bislang so nicht bewusst gewesen seien.

„Es ist beängstigend, dass wir gar nicht mitbekommen, wie Kinder und Jugendliche in den sozialen Medien ‚gebrainwasht‘ werden“, meinte die 31-jährige Sara.

Auch der 19-jährige Lah war von den vielen Schilderungen bewegt: „Der Holocaust gehört zu unserer Geschichte und es sollte noch früher in der Schule darüber geredet werden. Ich hoffe, dass die rechten Strömungen in unserer Gesellschaft nicht noch mehr werden.“ Daniel, 20, hatte beim Vortrag für sich „viel Neues“ erfahren: „Damals in der Realschule haben wir gar nicht über Heinrich Himmler gesprochen.“

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